26. Februar 2011

Bitte die Bits

Neulich Montag Morgen am Flughafen Tegel bei der Sicherheitskontrolle: "Holen Sie mal den Schraubenzieher aus Ihrer Tasche!" Ich: "Ich habe keinen Schraubenzieher dabei." Der Zollbeamte: "Aber Sie haben einen Bitsatz dabei, dazu brauchen Sie einen Schraubenzieher." Oh nein, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich habe vergessen, den Bitsatz nach der Sonntagsschrankaufbauaktion bei A. aus meiner Tasche auszupacken. Deshalb darf er jetzt mit auf Dienstreise. "Ich habe keinen Schraubenzieher dabei, das ist nur ein Bitsatz, den ich vergessen habe auszupacken." "Na Ihr Glück, den Schraubenzieher hätten Sie nicht mitnehmen dürfen." "Aber die Bits sind ok?" "Ja, damit können Sie ja keinen umbringen." Hm. Ich überlege, was passiert, wenn man mit einem Kreuzschlitzbit ganz doll auf den Brustkorb drückt. Egal, nicht sowas denken, sonst sehen die mir diese bedrohlichen Gedanken noch an und ziehen mich aus dem Verkehr. Nein, alles geht gut, ich lande in Istanbul, passiere die Passkontrolle und stelle mich für den nächsten Flieger nach Ankara erneut in die Sicherheitskontrollschlange. Meine Tasche mit dem bereits als ungefährlich beurteilten Bitsatz wird drei Mal unter dem Gepäckscanner hin und hergeschoben. Dann sucht man den Besitzer. "Hier, das ist meine!" Ich ahne was jetzt gleich kommt. Der türkische Zollbeamte holt meinen Bitsatz raus und sagt: "Problem, problem!" Ich erkläre, dass ich das in Deutschland schon problemlos durch die Sicherheitskontrolle bekommen habe. Er schüttelt den Kopf. "In Turkey problem! Turkey problem! Check in baggage!" Er zeigt zum Check-In-Schalter, anders komme ich hier nicht durch. Ich muss den Bitsatz als Gepäckstück aufgeben. Kurz kalkuliert sind es max. 20 Euro Neubeschaffungswert, wenn ich das Ding jetzt hier einfach liegen lasse. Nicht gerade viel, dass es sich lohnen würde dafür zu kämpfen, aber schon aus Neugier gehe ich zum Schalter. Ich erkläre den Sachverhalt und bekomme ein Kopfschütteln. Ohne mein Gepäck geht das nicht. Mein Gepäck habe ich aber in Berlin aufgegeben. "Und wo ist Ihr Gepäckbeleg?" Der kleine Klebezettel, der immer an die Bordkarte geheftet wird? Den hat meine Kollegin und die ist schon hinter der Sicherheitskontrolle. Es sind nur noch 20 Minuten bis zum Abflug. Ich werde zu einem anderen gebracht, der besser englisch kann. Nochmal von vorne. Fazit: Ich könnte nur meine Schultertasche inklusive Bitsatz aufgeben, ohne geht das nicht. Vor meinem inneren Auge liegt die Tasche völlig zerquetscht zwischen riesigen Koffern und wird von Flughafenangestellten lieblos aufs Band geschleudert. Nein, das kommt nicht in Frage. Ich probiere es noch einmal. Kann ich das nicht in einen Briefumschlag oder eine Kiste packen? Haben Sie nicht. Und dann erbarmt sich doch einer und macht eine Handbewegung, der ich folgen soll. Wir gehen in eine andere Ecke des Terminals und holen eine Kiste. Er macht sie kleiner, verpackt meinen Bitsatz und umwickelt das Paket mit 20 Runden Klebeband. Dann gibt's noch einen "Zerbrechlich"-Aufkleber drauf und einen "Zerbrechlich"-Anhänger dran, der größer ist als das Paket selbst. Dann wirft er es auf einen Handwagen, der noch ganz weit entfernt vom Gate steht. Ich verabschiede mich innerlich von meinen Bits, das schaffen die nie mehr bis zum Flieger. Ich muss rennen, wieder durch die Security, ab zum Gate, rein in den Flieger.
Eine Stunde später landen wir in Ankara. Am Terminal trennen sich die Gepäckbänder in internationale und nationale Ankunft. Ich muss an beide, mein Koffer kommt aus Berlin, mein Bitsatz aus Istanbul. Was ist wichtiger? Zuerst zur internationalen Ankunft. Die Koffer purzeln aufs Band, einer nach dem anderen. Meiner ist nicht zu sehen. Hm. Nach ein paar Minuten sind alle mit ihrem Gepäck versorgt und nur noch ein kleiner schwarzer macht die Runde. Von meinem Koffer keine Spur! Ach nö, es ist abends um sieben, ich hab morgen Kundenmeeting, da kann ich nicht in Jeans und alten Sachen auftauchen. Am Lost-and-Found-Schalter schaue ich ganz traurig. Die Kollegin läuft mit mir zum Gepäckband und schaut. "Da ist er doch, der kleine schwarze, das ist doch Ihrer!" "Nein, meiner ist groß und rot." Wir laufen weiter. Meine Füße tun weh. Flughafenwege sind immer sehr lang. In einer Ecke steht ein anderer Koffer. Schwarz, klein. "Ist das Ihrer?" "Nein, meiner ist GROSS und ROT." Sie nickt, scheint aber nichts zu verstehen. Sie füllt ein Formular aus und fragt mich, wie mein Koffer aussieht. Ich atme tief durch: "Rot und groß." Niemand weiß, wo er ist und wann er kommen wird. Nungut, abwarten. Jetzt zum Domestic Terminal, schauen, ob der Bitsatz da ist. Nach gefühlten 10 km Fußweg lässt man uns netterweise noch rein, und da steht auch schon meine Bitsatzkiste. Sie hat es geschafft, mein Koffer nicht. Na toll. Anziehen kann man die nicht!
Eine Stunde nach der Landung fahren wir dann endlich ins Hotel. Ich gebe der Rezeption meine Handynummer, mit der dringenden Bitte, mich zu informieren, sobald ein großer, roter Koffer geliefert wird. Um acht keine Info, um neun nichts neues, um zehn bin ich immernoch kofferlos. Um elf gehe ich ins Bett. Ohne Zähneputzen, ohne Schlafanzughose, ohne alles. Halb zwölf klingelt mein Telefon. Der Rezeptionist flötet: "Ich habe gute Neuigkeiten für Sie! Ihr Koffer ist da!" Ich glaub's nicht. Dann klingelt es, mein Koffer steht vor der Tür. Welche Freude :)