30. Mai 2010

Antalya

Es sind 26 Grad, strahlender Sonnenschein, keine Wolke trübt den blauen Himmel. Ich stehe auf dem Gerüst eines Kraftwerks und schaue in das Taurus-Gebirge. Der Muezzin ruft zum Abendgebet. Soeben gab es frische Erdbeeren als Nachmittagssnack und den siebten Çay für heute. Arbeit kann schön sein :)
Es macht mir Spaß auf das Filterhaus zu steigen, ich mag es in die Bremmkammer zu klettern, ich sortiere gern in Lagerhallen Ersatzteile und Werkzeuge. Ich sitze neugierig in Meetings, in denen ein Dutzend türkische Männer diskutieren und ich nur an ihren Gestikulierungen ablesen kann, worüber sie sprechen. Lecker schmeckt der şiş kebab zum gemeinsamen Mittagessen, wenn sich Helme und Walkie-Talkies neben Lahmacun und Ayran-Bechern stapeln. Abends hab ich richtig dreckige Hände und blaue Flecken an den Knien. Es fühlt sich verdammt gut an.

Nach dem Feierabend bleiben noch ein paar Stunden Zeit, Antalya zu entdecken. Mein Kollege spricht zum Glück fließend türkisch und kommt auch mit dem hiesigen Straßenverkehr zurecht. Noch dazu fällt er nicht auf die Touristenfallen herein, die in den engen Gassen der Altstadt auf uns warten. Teure Teppiche, gefälschte Gemälde, türkischer Tee, orientalische Gewürze und bunte Strandkleider zieren die Wege. Die Verkäufer rufen immer wieder die selben deutschen Sätze. Wir flanieren zum Hafen und finden pünktlich zum Sonnenuntergang ein hübsches Restaurant auf den Klippen.

Der nächste Abend: Ich will ans Meer. Wir fahren immer an der Küste entlang in Richtung Lara Beach, nach kilometerlanger Steilküste und einem riesigen Wasserfall finden wir endlich Sandstrand. Der Dido Beach Club liegt vor uns. Außer dem Personal ist niemand da. Hunderte Liegen stehen einsam am Strand, Himmelbetten warten unbenutzt auf Gäste. Keiner springt auf dem Trampolin, niemand fährt auf der Gocart-Bahn. Die Dusche tropft leise vor sich hin, die Strandidylle gehört uns ganz allein. Die Saison beginnt gerade erst. Zum Glück gibt's schon was zu essen. Über uns fliegen die nächsten Kollegen ein.
Wir treffen sie im Hotel, ein Reiterhof mit Ställen, Reithalle und Ferienhäusern. Jeden Morgen hat der Holzwurm Krümel auf meinem Bett hinterlassen, jeden Tag gibt es fünf Sorten salzigen Schafskäse zum Frühstück. Abends ist immer was los, am Tag der Ankunft gab es eine Schulabschlussfeier. Eine fünfte Klasse in schicken Kleidern zeigte stolz einen Querschnitt türkischer Schulkultur, Tarkan als Kinderchor kann auch toll klingen :) Am Ende verabschieden sie sich alle mit einem Handkuss von ihrem Lehrer, dicke Kullertränen fließen. Am zweiten Tag sind wir Zaungäste einer Hochzeit. Die Braut trägt als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit ein rotes Band um die Hüfte, die Rockband spielt laut bis spät in die Nacht. Die Gäste tanzen barfuß auf der Wiese zu türkischen Klängen.

Nach fünf Tagen ist die schöne Zeit vorbei, ich tausche Latzhosen gegen Blazer und fahre weiter nach Istanbul zum Kundenmeeting. Halb acht ist Feierabend, auf zum Shopping! Die Geschäfte haben bis 22 Uhr geöffnet. Das wird ausgiebig genutzt. Abendessen gibt es anschließend im dichten Gedränge der engen Gassen zu wechselnder Live-Musik, Fischgestank und Rakı im Kerzenschein, Algen an Gehirnsalat als Vorspeise. Gegen Mitternacht geht's zurück zum Hotel, auf dem Weg lasse ich mir noch von einem Albino-Kaninchen die Zukunft voraussagen. Es zieht mit den Zähnen einen Zettel, der mir verspricht, dass eine große Liebe bald kommen wird :) Gute Nacht, Istanbul!

Wir verlassen die Stadt bevor die Formel-1-Fahrer starten. Das Taxi hat keinen Platz im Gepäckraum, mein Koffer kommt auf den Beifahrersitz. Der Fahrer heizt los, die Tür fällt auf, mein Koffer kippt, ein Bus kommt von rechts bedrohlich nah, er scheut sich nicht meinen Koffer platt zu fahren, die Reifen quietschen. Der Fahrer hält das Auto an und meinen Koffer fest. Das ist gerade nochmal gut gegangen! Am Flughafen die nächste Pleite: Der letzte 50-Lira-Schein ist eine Blüte, eine einfache Farbkopie. Und jetzt? Zur türkischen Polizei gehen? Lieber nicht. Ab nach Hause. Drei Stunden im Flugzeug, dank Loperamid haben die türkischen Bakterien in meinem Verdauungssystem keine Chance. In Berlin ist alles wieder so deutsch, der Taxifahrer zum Glück ein Türke. Radio Metropol erleichtert den Einstieg. Ich will einfach nur noch aufs Sofa und schlafen. Und morgen geht's ins Hamam ...

Ein paar Fotos