31. Oktober 2009

Ikea²

Den Samstagvormittag verbringt man in Berlin typischerweise mit Einkaufen. Entweder auf dem Biowochenmarkt am Helmholtzplatz, oder in der Markthalle in Kreuzberg, oder im Einkaufscenter am Alex, oder - und so war es heute - bei Ikealand. Als wir auf das Parkplatzgelände fahren, fragt meine Begleitung, ob ich mir bewusst sei, dass heute rund um Berlin Feiertag ist. "Jaja, das wird schon nicht so schlimm sein." Aber es kommt schlimmer. Im Parkhaus sind Platzanweiser mit Warnwesten zu Gange, damit nicht schon hier das totale Chaos ausbricht. Für uns wird der Platz frei, der die weiteste Laufentfernung zum Eingang hat. Auf ins Getümmel! Wir schieben uns in einer dichten Masse vorbei an den keksreichenden Blondinen in Schwedentracht die Rolltreppen zum Eingang hinauf. In den Ausstellungsräumen bekommt man gerade noch so Luft. Eine Durchsage: "Bitte achten Sie aus gegebenem Anlass auf Ihre Taschen. Es sind Betrüger unter Ihnen." Na prima. Dann sind auch noch die Einkaufswagen alle. Der Nachschub kämpft sich durch die Massen. Nichts desto trotz schaffen wir es, unseren Wagen gut zu füllen. Da noch eine Kerze, ein paar Schälchen, Sofakissen, Körbe, das übliche also: der sich läppernde Kleinkram eines Ikeabesuchs. Dazu der eigentliche Grund des Ausflugs: ein hohes Regal und ein Spiegel aus dem Lagerraum. Weihnachten hat hier auch schon Einzug gehalten: Mädchen in Engelskostümen mit Flügeln stapeln Christbaumkugelkartons. Was für ein Job.
Mittlerweile sind wir mit zwei Wagen bestückt und als wir uns bis zu den Kassen durchgeschoben haben, müssen wir uns entscheiden. Anstellen, bezahlen, Auto beladen und dann wieder zum Restaurant zurück gehen oder gleich was essen. Heute soll es laut Anzeigen Köttbullar für 2,50 Euro geben. Wir stellen die Einkaufswagen an die Seite und ordnen uns im Restaurant in die langen Schlangen ein. Den günstigen Preis gibt es natürlich nur unter der Woche und da auch nur ab 18 Uhr. Also dann 4,90 Euro zahlen. Mit EC-Karte? "Das geht leider erst ab 5 Euro." Dann eben nicht. Der gleiche Gedanke kommt mir am Getränkeautomat, als aus dem Zapfhahn für Preiselbeerlimonade klares Wasser kommt und die Mirinda ohne Kohlensäure in mein Glas blubbert. Naja, zumindest bekommen wir einen Sitzplatz und das Essen schmeckt. Noch einen Kaffee zur Verdauung und dann geht's wieder quer durch die Ausstellungsräume, bis wir die Abkürzung zu den Kassen finden. Wir finden den Wagen mit dem Regal, doch der andere ist - wie sollte es anders sein - weg. Irgendwo um die Ecke geschoben? Nein. Wir suchen jeden einzelnen Gang ab. Nichts. Er scheint spurlos verschwunden. Wir fragen einen gelb-blauen Ikea-Menschen. "Kann sein, dass ein Kunde den Wagen vertauscht hat. Ich lasse es ausrufen und Sie warten bitte am Infostand." Dann kommt tatsächlich per Lautsprecher durchs ganze Ikea-Haus eine Ansage: "Sollten Sie Ihren Einkaufswagen verwechselt haben, kommen Sie bitte zum Infostand." Es hätte auch heißen können: "N. und J. waren so blöd und haben ihren Wagen länger als 15 Minuten vor der Kasse stehen lassen. Zur Strafe haben wir ihn weggeräumt." Auf erneutes Nachfragen wird uns bestätigt, was wir befürchtet haben: Die Wagen werden regelmäßig entfernt, "sonst würde der Kassenvorraum zugemüllt". Irgendwie passt das nicht ganz zur Ikea-Philosophie von Wohlfühlen und so. Wie soll man denn dann das Restaurant während des Einkaufs nutzen können? Scheinbar gar nicht. Jetzt stehen wir vor der schwierigen Einsicht: Wir müssen also wirklich nochmal da durch und alles einsammeln, was wir haben wollen. Wollen wir das? Nein. Wir tun es trotzdem. Ikea doppelt. Bei jedem Teil habe ich ein Déjà Vu. Vorteil: Man kann sich zweimal überlegen, ob man das alles wirklich kaufen möchte. Wir schaffen es, den Einkaufskorb wiederherzustellen (reduziert um einige Kleinigkeiten) und lassen ihn fortan nicht mehr aus den Augen. Sogar der zweite Wagen mit dem Regal steht nach einer Stunde Verzögerung immernoch am selben Platz. Schnell durch die Kasse und mit dem überfüllten Fahrstuhl zum Auto. Geschafft!

Ich werde natürlich einen Brief an Ikea schreiben und mein Missfallen ausdrücken. Sollte das hier ein Mitarbeiter der PR-Abteilung lesen: Ich würde mich mit einem Einkaufsgutschein zufrieden geben. Denn einen richtigen Ikea-Fan haut so schnell nichts um.

3 Comments:

Anonymous marie said...

Gehässigkeit aus dem Off: Das konnte nur passieren, weil niemand mit mehr Ängstlichkeit und Sicherheitsbedürfnis Dir widersprochen hat. Den vollen IKEA-Wagen irgendwo stehen lassen? - In einer Ideen-Liga mit "im Zimmer der Jungs schlafen"/ "schwimmen gehen". Verführerisch, aber man hat gelernt. NIEMALS!

2. November 2009 um 10:28  
Blogger Daniel said...

Im IKEA frage ich mich jedesmal, wie aus einer Einkaufsliste über zwei Dinge, zwei volle Einkausf-Wagen werden können. Das ist ´ne Art Replikator-Effekt wie man ihn schon von Cpt. Picards Enterprise kennt. Nach Eurem herben Verlust hätte ich - ganz ehrlich - resigniert, wäre in die erlernte Hilflosigkeit gestürzt und hätte über die Durchsage einen Notarzt ausrufen lassen. Akuter Konsumschock. Wo ist mein Dextro? LG

2. November 2009 um 15:06  
Blogger suja said...

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2. November 2009 um 19:46  

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