26. Juli 2009

Ich bleibe!

Hätte ich nicht während der zwei Urlaubswochen auf die Antwort bezüglich meiner Wohnung gewartet, hätte ich es netzlos ausgehalten. Aber die Spannung war groß. Schließlich ging es um eine ganze Menge "steuerfreies Geld" (Zitat aus der Aufklärungsmail der Hausverwaltung), die mir den Umzug hätte versüßen sollen. Ich bekam jedoch keine Antwort auf meine Forderungen, sondern einen Brief mit der Bitte um einen Besichtigungstermin. Ich bereite mich mit umfassenden Internetrecherchen vor. Ich finde neben einer Pressemitteilung einen Erfahrungsbericht über die brutale Welt der Wohnungsumwandlungen im Berliner Osten. Ich scheine wirklich Glück zu haben, denn es gibt noch ganz andere Methoden zur Entmietung. Neben Buttersäureanschlägen, Steine wälzenden Betonmischmaschinen in den Nachbarwohnungen und derartigen Schweinereien, kommt es auch schon mal vor, dass ein Schlägertrupp an der Wohnungstür auftaucht. Ich hole mir also Verstärkung und erwarte den Besuch. Voller Neugier auf die psychologischen Tricks zur Einschüchterung öffne ich gespannt die Tür. Ein geschniegelter, hellblonder Dreißigjähriger steht vor mir, eine Spiegelreflexkamera in der Hand. Hinter ihm ein weiterer Mann, sie kommen tatsächlich zu zweit. Der Schnösel mit den schwarzen, gegelten Locken wird mir als potentieller Käufer meiner Wohnung vorgestellt. Sie keuchen ganz schön, ich bringe es nicht über die Lippen, ihnen etwas zu trinken anzubieten. Ich lasse sie nicht aus den Augen. Ob sie Fotos machen dürften? Nein, das möchte ich nicht, tut mir leid. Stimmt nicht, tut mir gar nicht leid, ist mein gutes Recht. Sie schauen sich um, schauen sich an, lächeln. Ich frage mit deutlich sarkastischem Unterton, ob ich Sie über die Vorzüge der Wohnung informieren soll. Sie wollen Nachteile hören. Es gibt keine, abgesehen von der Verzögerung der Wasserspülung, wenn man zwei mal kurz hintereinander spülen möchte, und der Nichtexistenz des Fahrstuhls. Ach ja, die Wohnungstür quietscht. Noch Fragen?
Der Blonde erzählt mir, dass ich dann demnächst den Kaufvertrag bekomme, den der Käufer unterschreiben möchte. Ich muss dann meinen Verzicht auf das Vorkaufsrecht unterzeichnen und das Schreiben vom Gerichtsvollzieher wieder abholen lassen. Ich bräuchte mir auch keine Sorgen machen, der Käufer wolle mich nicht rauswerfen. "Sie können mir hier die nächsten sieben Jahre sowieso nicht kündigen." Damit haben Sie nicht gerechnet. Ich setze noch eins drauf: "Vielleicht will ich die Wohnung ja doch selbst kaufen. Ich würde aber auch ausziehen, das kommt ganz auf die Abfindung an." "Ach, haben Sie da schon was bekommen?" Wie scheinheilig. Ich gebe ihm eine neu formulierte Aufhebungsvereinbarung mit meinen Forderungen. Keine Reaktion in seinem Gesichtsausdruck. Nichteinmal ein Schlucken. Es ist also nichts ungewöhnliches, was ich hier tue. Endlich redet er Klartext: Man sei nicht gewillt, so eine hohe Summe zu zahlen, da sie ja bereits einen Käufer gefunden haben, der die Wohnung mit mir nehmen würde. "Wie verbleiben wir jetzt?" "Sie schicken mir den Kaufvertrag zu und zwar nicht ohne eine neue Aufhebungsvereinbarung."
Sie verabschieden sich förmlich, bedanken sich und verlassen meine Wohnung. Ich denke kurz darüber nach, ob der Käufer nicht doch mein Typ sein könnte. Dann könnten wir es uns hier gemeinsam gemütlich machen. Leider nein. Aber es könnte doch sein, dass er gar kein echter Interessent ist, sondern nur dazu da, dass ich endlich zustimme.
Zwei Tage später ein offizielles Schreiben: Der Käufer ist tatsächlich echt und er will die Wohnung im vermieteten Zustand. Somit habe man kein Interesse mehr an meinem Auszug. Hab ich zu hoch gepokert? Nein! Am nächsten Tag liegt der Kaufvertrag vor mir. Der Preis, den der neue Käufer zu zahlen bereit ist, ist höher als der für ein Grundstück mit Haus in meiner Heimat. Wahnsinn.