Luxus Home Stay

Seit heute Nachmittag ist ein indisches Herrenhaus unser Zuhause. Wir wurden mit einem Auto mit Klimaanlage abgeholt, haben einen Chai auf der Veranda vor dem Hauseingang zu uns genommen und die Familie begruesst:
- der Hausherr, um die 60, mit Hemd und weissem Lunghi (eine Art Wickelrock), graue Locken, Oberarzt im oertlichen Krankenhaus und jeden Monat auf einem anderen Kongress (gerade von Rom wiedergekommen, naechsten Monat geht's nach Japan)
- die Dame des Hauses, ehemals Hindu aber zur Ehe zum Christentum konvertiert, im gruenen Sari, sehr freundlich und umsichtig
- der aelteste Sohn des Hauses, gestreiftes Hemd und Stoffhose, Arzneimittelvertreter und Lehrer an der Indischen Management Schule, Schnauzer, drei Jahre in Schottland gelebt
- seine Ehefrau (arrangierte Ehe), schwanger im 5. Monat, sehr huebsch und aufgeschlossen
- ihre Tochter (viereinhalb), verwoehnte Goere mit Zahnluecken, lernt Englisch im Kindergarten
- mindestens zwei dauerhaft anwesende Hausangestellte

Das Haus ist ein altes Anwesen, das sie vor fuenf Jahren vollstaendig renoviert haben. Es gibt ungefaehr zwanzig Zimmer, wir haben jeder eines mit eigenem Bad und Wohnzimmer mit Riesenfernseher. Der Garten ist wunderschoen angelegt, mit Fischen und Baeumchen und Straeuchern und Steinen. Die Veranda ist so lang wie das Haus und mit restaurierten Schaukelstuehlen und -liegen verziert, dazu mehrere hoelzerne Elefanten.

Nach dem Tee und suessen Snacks sind wir alle zusammen an den nahegelegenen Strand gefahren, haben einen Drachen steigen lassen und mit den Wellen und im Sand gespielt. Danach wollte ich meine Schuhe vom Sand abspuelen, was mir sofort von der Frau des Hauses untersagt und der Waschfrau zugewiesen wurde. In die Zubereitung des Abendessens haben sie sich reingeteilt, jeder hat einen Teil der Gerichte gekocht, mit denen wir gemaestet wurden. Zur Vorspeise gab es Huehernbeine zum Knabbern und australischen Rotwein (ich breche mein Fasten fuer die Zeit hier), dann Appam (sowas wir Eierkuchen aus Reismehl und Kokosmilch), dazu Rindereintopf, scharfes Huehnchencurry, gruenes Kokoscurry, Gemuese und natuerlich Reis. Zum Nachtisch einen suessen Brei und frisches Obst. Alles mit den Fingern. Die fuenf Kilo, die ich bis jetzt verloren habe, werde ich uebermorgen wieder drauf haben. Erst als sie mein rotes Gesicht bemerken, habe sie Gnade mit mir.
Am Anfang ist der Tisch nur fuer die Maenner und uns Gaeste gedeckt, dann tischen die Frauen auf und reichen nach. Spaeter setzen sie sich dazu und essen selbst. Sie raeumen alles wieder ab und den Maennern hinterher. Ich frage nach, es ist tatsaechlich so. Die Frauen bedienen die Maenner. Und das auch noch bei hauptsaechlich arrangierten Ehen! Auf diesem Computer hier ist ein Ordner mit Fotos von Frauen, die Unni, der juengere Sohn der Familie und derzeit in Deutschland, heiraten soll. Die Familie sucht sie im Internet anhand unzaehliger Fakten aus. Wenn Unni eine gefaellt, kommt er fuer die Hochzeit nach Indien, dann geht sie mit ihm nach Deutschland.
Und wir lassen uns morgen erstmal vom Fahrer des Hauses ein bisschen durch die Gegend fahren ...