18. März 2008

Von Bücherkindern und Kamelen


Liebe Marie, die Buchmesse ist jetzt fest in der Hand der nachwachsenden Generation. Sonntags ist zwar von den wochentags üblichen Schülermassen keine Spur, dafür tummeln sich all die kleinen Wielands, Ingeborgs, Alrunas und Gerdas zwischen den Ständen oder im Allradkinderwagen, ohne sich darum zu scheren, welchem Roman wohl ihr altdeutscher Name entsprungen ist. Zwischendurch dürfen sie sich in der Phantansieschule oder dem Bücherhort austoben und sind völlig genervt, wenn ihre Eltern sie nach zwei Stunden wieder einsammeln wollen. So ging es diesmal auch mir, den Nachwuchs meiner Schwester zum Lesen anregen wollend. Nicht dass das nötig wäre, meine Nichte wollte natürlich selbst unbedingt zur Buchmesse: "Was würde ich nur ohne Bücher machen? Ich würde mich total langweilen, wenn mir langweilig wäre."
Ihre Hauptbeschäftigung war dann allerdings, sich über die unzähligen Manga-Kostümierten aufzuregen, Lomumba nannte sie sie und fand das doof. Genauso wie das Warten am Stand von Klaus Kl., bis wir endlich durch die Kundenschar hindurch einen Blick auf ihn werfen konnte. Er redete mich zu ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Er hat mich nicht erkannt. Nicht, dass mich das stört, wirklich nicht, ich kann es ihm nicht verübeln, ich hatte weder rote Haare noch Ringelsocken an (die hab ich mittlerweile an Annika vererbt bzw. trage sie nur noch als Schal um den Hals). Ich ließ mir einen Minikalender schenken, dann bediente er die nächste Kundin. Ich trete erneut in sein Sichtfeld und sage "Schönen Gruß von Maria R.!" Er stutzt, sieht mich an und erkennt mich sofort, ohne zu bemerken, dass wir vor zwei Minuten schonmal gesprochen hatten. "Ach die Jenny! Schau mal Simone, das ist unsere treueste Kollegin." Diesmal hatte er keine Mädchen angestellt und zu aufreibenden Aktionen verdonnert, sondern nur seine Tochter als Verkaufsgehilfin mit. Diese schimpft, als er mir aufträgt, ich solle Marie bitten, sich mal in Kasachstan nach dem Preis von jungen Kamelen umsehen. Sie hätten zwar gerade drei Babykamele bekommen - ja, es gibt Leute, die halten sowas als Haustiere in ihrem bayrischem Vorgarten - aber er hätte Lust nach Kasachstan zu fliegen, dort eine Fotoreportage zu machen und anschließend auf sechs Kamelen wieder nach Hause zu reiten. Achtung Marie, vielleicht bekommst du bald Besuch! Ein gemeinsames Essen steht ja noch aus als Lohn für unseren Einsatz ...