13. März 2008

Erinnerungen zur Buchmesse

Ein rührender Gastbeitrag, zitiert aus Maries Blog:
"Angesichts des heutigen Beginns der Leipziger Buchmesse, einem schon zu Ende gehenden Arbeitstag, an dem ich viel geschafft habe, und Jennys süffisanter Nachfrage, ob sie unseren Klausi Klages grüßen solle, denke ich sentimental an unsere zurückliegenden Buchmesseeinsätze. In diesem Jahr können wir nicht dabei sein, weil wir nun beide eine richtige Arbeit haben. Im letzten Jahr weilte Jenny in Singapur und Marie hatte Examen. Im Jahr davor war ich gerade frisch aus Warschau zurück und Jenny war - ja, wo war Jenny? In Berlin? Meinen ersten Einsatz für Klages hatte ich im Jahr 2000, da ging ich in die elfte Klasse. Eine Zufallsbekanntschaft, aber sie veränderte unser Leben! Damals teilte ich mit meiner Schulkameradin Katrin für unseren Abreißkalenderverleger weiße Briefumschläge aus. Wir standen am Eingang zur Glashalle. Die bedruckte Seite des Umschlags mußte nach unten zeigen, damit die Werbung nicht wie Werbung aussieht. 2001 verfeinerten wir unsere Crew und unsere Methode. Jenny stieß als unverzichtbares Mitglied des Teams zu uns. Wir verschenkten kleine weiße Plastikkoffer. Wie es sich für den Osten gehört, waren die der Renner. Schon in diesem Jahr stellte sich heraus, daß die Zukunft unserer Arbeit in der Mischung aus mechanischem Konditionieren und werbewirksamen Verschenken liegen sollte. An die Koffer mußte mit Hilfe eines Aufklebers eine Postkarte geklebt werden. Die Postkarte hatte oben ein kleines Loch. Durch das Loch fädelte eine von uns einen kleinen roten Faden, die andere klebte fest. Was wir 2002 verteilten, weiß ich leider nicht mehr, waren es Kalender? Die Leute sind im Allgemeinen zu pessimistisch, man will Ihnen einen Kalender schenken und sie sagen: Es ist doch schon März. Als wäre nicht noch genug Jahr übrig. 2003 war ein wichtiges Jahr. Schon vorher standen wir traditionell am Ende der Glasröhren, am Eingang zur Messehalle. Wir trugen weiße T-Shirts mit einem Pinguin auf dem Cover, rote Mützen, Röckchen und obligatorisch bunte Strümpfe. 2003 begann am Buchmesseeröffnungstag der Irakkrieg, und durch einen Klages-Geniestreich hatten wir Donald Rumsfeld auf unserem Werbezettel. Mit diesem schaffte es Marie zu einem 0,5 Sekunden dauernden Auftritt in den Tagesthemen, anmoderiert von Uli Wickert. Keiner außer ich selbst hat es gesehen. Klages hat es nicht gesehen, weil er da gerade auf dem Weg zum Chinesen in Oschatz war, die Ente sei dort vorzüglich. 2003 war das Jahr, als der frisch versingelte Kai und Marie sich zum ersten Mal verabredeten. Als Büchermenschen tarnten wir das in einem gemeinsamen Lesungsbesuch, der aber unglücklicherweise ausfiel. Kurz darauf küßten wir uns zum ersten Mal. Ein Jahr danach, 2004, überstieg die Konditionierungszeit erstmals die Verteilungszeit. Es hieß, bei mir zu Hause 6000 Eincentstücke auf 6000 Postkarten zu kleben. Ich weiß nicht mehr, ob Jenny den Kleber tröpfelte oder ich den Cent aufdrückte. Postkarten, auf denen Geld klebt, schmeißen die Leute nicht weg, sagte Klages. Das Jahr darauf konnten wir nochmals eine von seinen Lieblingsweisheiten umsetzen: Verschenken ist leichter als Verkaufen. Wir verschenkten wunderschöne kleine Taschenkalender. Die Leute haben sich ehrlich gefreut und wir waren glücklich. Jennylein, jetzt ist es Zeit, unsere gemeinsamen Buchmessetage nostalgisch zu verklären. Jedes Jahr sagte ich danach: Das mache ich nie wieder! Jedes Jahr darauf im Februar fing ich schon wieder an, mich zu freuen. Nun ist es soweit und ich bin erstmals ernsthaft durch 6000 km Entfernung gehindert, zur Buchmesse zu gehen. Seitdem wir angefangen haben, haben uns die stöckelnden Verlagstussis abschätzig angeguckt. Die mit ihren Ringelstrümpfen. Seitdem wir angefangen haben, wollte wir vielleicht eine von ihnen sein? Liebe Freundin, nie kommt das Parkplatzsuchen auf dem Sachsenparkparkplatz, nie das Sandwichkaufen, das erzählte Liebesleiden, die rituellen Toilettengänge, das schweigende Aufkleben von Aufklebern, der Messe-Kantinen-Kartoffelsalat, die gemeinsamen Messerundgänge, das Flirten und Tauschen mit den Ausstellern zurück. Nie mehr, nie mehr! Den Verlagstussis würde ich gern entgegnen: "Ich arbeite jetzt für das Goethe-Institut." Aber gerade wäre ich einfach gerne mit Dir zusammen, in Ringelstrümpfen. Am Eingang zur Halle 3. Scheiß-Donnerstag mit den Scheiß-Schulkindern! Am Abend gehen wir gemeinsam durch die Messehallen. Und dann vielleicht zu einer Lesung? Zu etwas Ernsthaftem, weil wir doch jetzt so vergeistigt sind? Oder zum TKKG-Abend? Und was war das nur für ein komischer Junge, den Du mit zur Hörbuchnacht gebracht hast?"
Hm, keine Ahnung, sollte ich mich an den erinnern?