21. Februar 2008

Mein freier Wille und ich

Zum Abschluss meines Studiums und zur Vorbereitung meiner mündlichen Philosophiemagisterabschlussprüfung (ich mag lange Worte ohne Bindestrich) unterziehe ich mich diese Woche einer Hirnwäsche. Man kann es ohne Zweifel so nennen, wenn man sich fünf Tage lang von morgens bis nachmittags mit der Kontroverse über Willensfreiheit und Hirnforschung beschäftigt. Es diskutieren: Belesene, aber unbelehrbare Philosophiestudenten und Lehramt-Ethik-Studentinnen mit schrecklichem Dialekt und gutgläubiger Naivität. Aua. Dazwischen Einzelne mit naturwissenschaftlicher Sichtweise, die weder an den göttlichen Funken noch den philosophischen Dämon oder sonstiges Unerklärliches glauben. Es geht teilweise so hoch her, dass ich noch Stunden danach einen erhöhten Puls habe.
Basis der Diskussionen sind wissenschaftliche Texte, immer abwechselnd ein neurobiologischer und ein philosophischer. Die Details erspare ich jetzt all denjenigen, denen "A möchte Xen" schon zu viel war. Interessierten kann ich nur Wolf Singer und Gerhard Roth ("Das Gehirn und seine Wirklichkeit" - mein neues Lieblingsbuch), die führenden Hirnforscher Deutschlands, empfehlen. Philosophische Positionen sind selbst zu bilden bzw. bei Klassikern wie Kant, Habermas usw. nachzulesen. Aber Vorsicht, irgendwann kommt die Phase, in der man glaubt, alles sei determiniert, also vorbestimmt und niemand kann anders als er ist. Das führt unweigerlich, wenn auch logisch falsch gedacht, zu Handlungsunfähigkeit und Lebensverdruss. Man trägt dann schwarze Rollis, wäscht sich nicht mehr und trinkt Alkohol in verrauchten WG-Küchen. Willkommen im Leben eines Geisteswissenschaftlers. Ich fühle mich ein wenig fehl am Platz und doch ist es genau das, was mir im Kreise von Ingenieuren fehlt. Ich weiß nicht, auf welche Seite ich gehöre, scheint mir doch beides suspekt und unvollständig zugleich. Zuviel Selbstreflektion? Wenn ich groß bin, will ich Psychologie studieren. Und Klavierspielen lernen. Und ein Haus am Meer. Das ist mein Wille, egal ob frei oder vorbestimmt durch Großmuttergene, frühkindliche Prägung und pubertäre Erfahrungen. Aber ist er wirklich meine? Wer oder was ist mein Ich? Eine Konstruktion meines Gehirns? Dann bin ich nur eine Idee. Aber was für eine!

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Wer in der Küche raucht und sich nicht wäscht, ist noch längst kein französischer Intellektueller. Ich weiß das genau. Eine Etappe ist vielleicht, jemanden zu sehen - so wie Du Deine KommilitoInnen -, und zu wissen: SO WILL ICH NICHT SEIN. Aber was wissen schon wir Germanisten, wir sind so naiv zu glauben: Du bist, was Du liest.

23. Februar 2008 um 07:17  

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