21. Januar 2008

Bauer sucht Frau

Nein, heute nicht auf RTL, sondern live, echt und in Farbe. Von der Grünen Woche in Berlin hat jeder schon einmal gehört. Und die Buchstaben CMA kann man auch auf jeder Milchtüte finden. Wenn man das kombiniert und jemanden kennt, der jemanden kennt, der im Agrarausschuss oder in der Landesvertretung für Landwirtschaft eines Bundeslandes arbeitet, dann landen wir auf dem Empfang der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft in einer der Messehallen am Funkturm. Festliche Abendgarderobe steht auf den nicht verkäuflichen Eintrittskarten. Wir machen uns chic und reisen mit Sekt in der S-Bahn an. Schon vor dem Eingang kommt uns ein Bub in Lederhosen entgegen und fragt in bestem Bayrisch, ob wir noch eine Karte übrig hätten. Naa, des ham mer net. Wir entdecken den Eingang und vor ihm eine Ansammlung von Menschen über 65 in schicken Galakleidern. Sind wir hier richtig? Nein, eine Tür weiter. Aber nicht dass es hier besser wäre! Alles voller Menschen in Bundhosen, Trachten und Dirndl! Gibt's denn in Deutschland nur Bayern? Dazu kommen noch unzählige Königinnen in langen Roben mit Goldkrönchen im Haar. Weinköniginnen, Fischköniginnen, Spargelköniginnen, Erdbeerköniginnen (ob die immerzu Erdbeeren essen dürfen?) und so weiter. Der kärgliche Rest der Besucher sind dicke, alte Politiker. Tolle Aussichten!
Hoch motiviert und vom Klang einer bayrischen Blaskapelle getragen stürzen wir uns an die Stände. Die ersten beiden Stunden sind dem Schlendern durch die Halle vorgesehen. Jedes Bundesland hat seinen eigenen Stand, beladen mit typischen Leckereien und Getränken. Zu rheinland-pfälzischem Spießbraten, schwäbischen Maultaschen, Wermsdorfer Horstseefischbrötchen, sächsischen Fettbemmen und Leckermäulchen gab es den jeweils passenden Likör. Den Zustand meines Magens nach einer Runde durch alle Bundesländer (eins auslassen wäre unfair!) möchte ich nicht in Worte fassen. Ständig ergibt sich bei dem Gedränge ein Gespräch mit einem der alten Herren und es stellt sich heraus, dass hier eine Menge Großgrundbesitzer anwesend sind, um nicht zu sagen, der komplette Landadel Deutschlands! Ich hätte ja durchaus nichts gegen Großgrundbesitz durch Heirat einzuwenden...
So kommt man ins Gespräch und gerät zufällig an nette Herren, die einen mit auf die Politikertribüne nehmen. Jürgen Rüttgers schiebt sich dann im Gedränge an mir vorbei, nicht dass ich ihn erkannt hätte, aber netterweise stellt man sich mit Namen und Amt vor. Und außerdem folgen ihm unbemerkt vier Männer mit Knopf im Ohr. Trotzdem gehen unzählige Biergläser zu Bruch, weil die arroganten Herren die Bedienung ignorieren. Weiter im Stall äh Small Talk als wäre nichts gewesen. "Und von welchem Ministerium kommen Sie?" "Ich komme aus Sachsen." "Landwirtschaft?" "Nein, Energiebranche." Welch verwegene Antwort. Sofort eröffnet das Gegenüber seine Meinung zu Atomkraftwerken, bis es stutzig wird: "Und was machen Sie dann hier?" Nach einigen Gläsern Apfelwein antworte ich provozierend: "Ich suche einen Großgrundbesitzer zum Heiraten." Schweigen. Schamvolles Lächeln.
Andere Szene: "Hallo, ich bin Rolf aus dem Münsterland." Ich erzähle diesmal die Geschichte von der armen sächsischen Studentin, die zum Sattessen hergekommen ist. "Weißt du, 1990 hätte man hier im Osten Land kaufen sollen, dann wäre man jetzt richtig reich. Aber ich komm hier mit den Leuten nicht klar. Der Horizont der Ostdeutschen geht ja gerademal bis zum Feldrand! Bei mir im Münsterland da sind die Menschen ja viel weltoffener. Da gibt es eine richtige Gesellschaft. Wenn man im Osten mal einkaufen will, wo fährt man denn da hin? Leipzig, Dresden, da gibt's doch nichts! Bei uns fährt man nach Münster und bekommt richtige Kultur." Ich bestelle gut hörbar auf sächsisch einen Meißner Wein, fasse ihm auf die Schulter, so dass es seine Frau deutlich sehen kann und verabschiede mich ohne Wiedersehen. Seine Karte lehne ich ab. Er ist Unternehmensberater für Schweinemastbetriebe mit über 2000 Tieren. Da ist er gut aufgehoben.

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ich lache grunzend. Beim Tag der offenen Tür in unserem Kuhstall war ich mal dabei, wie ein Kälbchen geboren wurde. Dann sieht man die Welt ja ganz anders. Und wehe Du heiratest so einen reaktionären Junker!

22. Januar 2008 um 06:40  
Blogger thairesa said...

Ran an den Speck :)

22. Januar 2008 um 07:46  
Anonymous Anonym said...

Kommentar folgt noch, ... muss erst drüber schlafen ...

24. Februar 2008 um 23:13  

Kommentar veröffentlichen

<< Home