16. Dezember 2007

Quick Check In und Bummelbahn

Kurz vor dem dritten Advent darf ich noch einmal einen kleinen Ausflug nach München machen. Diesmal nicht um Motoren zu basteln, sondern um die Strategie fürs neue Jahr zu planen. Ich nehme den Mittagsflieger von Air Berlin und quetsche mich am Flughafen Tegel an einer riesigen Schlange Reisender vorbei. Sie wollen alle nach New York - zum Weihnachtsshopping?
Zwei Stunden später bin ich in München auf dem Weg zum Schloss Fürstenried. Ein großzügiges Gelände im Süden Münchens mit mehreren Gebäudeteilen und englisch-französischem Garten, eigens erbaut für den schizophrenen Schattenkönig Ludwig II. Wir übernachten im Exerzitienhaus, Nonnen regeln hier das Leben. In der Eingangshalle hängt ein Bild des Papstes, er hat hier studiert. Mit uns speisen angehende Priester, ein Kreis introvertierter junger Herren mit auffallend hoher Stofftaschentuchquote. Da wir den Abend nicht mit ihnen im Schlosskeller verbringen dürfen oder wollen, besuchen wir das Tollwood-Festival auf der Theresienwiese. Ein besonderer Weihnachtsmarkt, der Wert auf Ökologisches und Bio-Essen legt. Es gibt Alpaca-Socken zu kaufen und weißen Bio-Glühwein, die Mülltonnen sind kuheuterförmig und die Erlebniszelte international ausgerichtet. In einem Zelt namens "Tief im Wald" sitzt man auf Baumstämmen und schunkelt zu Live-Musik auf Akkordeon und Gitarre. Lange Schnurbärte und Trachtenkleidung erinnern dennoch ans Oktoberfest, das auf dem selben Platz stattfindet. Anschließend lassen wir uns beim Brasilianer mästen. Ein Vorspeisen- und Beilagenbuffett wird gekrönt von sechs Fleischgängen, die jeweils am großen Spieß von einem charmanten Spanier serviert werden. Dazu schrammelt ein Chico "Feliz Navidad" auf seiner Gitarre. Wir erzählen dabei von Kolumbien, Boston, Melbourne, Bangkok, Shanghai. Jeder war dieses Jahr irgendwo dort, was sind wir nur für eine Generation?
Flambierte Ananas und caramelisierte Bananen bringen mich fast zum Platzen. Wir rollen nach Hause, dabei lasse ich mir handfeste Tipps zu meiner geplanten Indienreise von Adi (der Inder, der mir das Weißwurstessen beigebracht hat) geben. Es gibt keine besseren Hinweise als die von Einheimischen :-)
Am Freitag wird im Festsaal des Schlosses geplant, gedacht und gearbeitet. Die Wände sind mit goldenem Stoff tapeziert, kristallene Kronleuchter erhellen den Raum. Riesige Flügelfenster eröffnen den Blick auf die Türme der Stadt, damals gab es eine direkte Kutschverbindung zur Frauenkirche. Nachmittags ist es schon wieder vorbei, ich mache mich auf den eisigen Weg zum Flughafen. Diesmal geht's mit Lufthansa nach Leipzig. Ich checke am Quick Check In-Automaten ein und vertreibe mir die Zeit auf dem flughafeneigenen Weihnachtsmarkt. Dann ist es Zeit, wir werden mit einem Bus zum Flieger gebracht. Wir fahren immer weiter raus und der Bus hält tatsächlich vor einer Minimaschine, kein Airbus, keine Boeing, eine CRJ900 der City Line. Das Handgepäck legt man selbst in den Rumpf des Fliegers, im Passagierraum kann ich gerade so stehen. Gerade mal 2,50 Meter ist er breit, keine hundert Sitze sind vorhanden. Es gibt das Handelsblatt zu lesen und ein Getränk. Air Berlin gewinnt den Contest, sie liefern Zeitungen und Zeitschriften nach Wahl, ein Getränk, einen Snack und ein Schokoherz beim Aussteigen. Preislich nehmen sie sich nichts, beide Flüge gibt's für 60 Euro. Bahnfahren ist doppelt so teuer. Trotz der heftigen Turbulenzen, die man in so einem kleinen Flieger noch viel deutlicher spürt, landen wir sicher und schon nach 40 Minuten in Leipzig. Es fährt sogar noch eine S-Bahn in die Stadt, obwohl es schon halb elf ist. Die Geschäfte sind zu, der Fahrkartenautomat gibt auch kein Rückgeld mehr, aber wenigstens ein Ticket, das mich in mein altes Zuhause bringt.
Den Vormittag verbringe ich der Albertina, meiner Lieblingsunibibliothek. Ich erschrecke vor lauter neuen Studenten, ich habe den Eindruck, sie werden immer jünger. Ich kenne kaum noch jemanden.
Der Nachmittag in der Leipziger Innenstadt ist eine Qual, man kann sich nur im Schneckentempo durch die Menschenmassen schieben lassen, anders gibt es kein Durchkommen. Ein Pianist sitzt mitten in der Petersstraße am Flügel und spielt mit Handschuhen romantische Weihnachtsleider. Schön.
Abends fahre ich nach Halle, eine gedankliche Reise ins Jahr 2003. Hier habe ich mein erstes Praktikum beim MDR gemacht, in die verschiedenen Hörfunkbereiche geschnuppert und Freundschaft mit den Hallenser Mitbewohnern geschlossen. Jetzt werden sie 30 und feiern, wie es sich gehört. Nicht wenige von ihnen brauchen schon Babysitter oder sprechen gerade über Familienplanung. Kater Samson versteckt sich lieber auf dem Schrank. Am nächsten Tag verpasse ich den Mittagszug nach Berlin und zuckele jetzt mit der Regionalbahn stundenlang über die Dörfer von Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Schneeflocken wären nett.