26. Oktober 2007

So viel von allem

Es passiert so viel. Kein Zeit mehr im Büro zu schreiben. Da ihr euch dennoch fortwährend aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Kasachstan, Mexiko, Bolivien, Peru, Finnland, China und Australien auf diese Seite klickt, will ich ein bisschen von mir geben - ohne auf Vollständigkeit zu achten.

Keine eigenen Artikel - obwohl sie es ohne Frage verdient hätten - bekommen zwei Besuche im Deutschen Theater:
"Ein Sommernachtstraum" und "Auf der Greifswalder Straße" inszeniert von meinem Lieblingsregisseur Jürgen Gosch. Corinna Harfouch besticht wie immer mit ihrer klaren Stärke, der Puck spielt nackt, die Handwerker tragen Flatterröckchen, die Bühne wird versaut mit Trauben, Farbe, Dreck und Blut. Es ist komisch, brutal, lustvoll, grenzüberschreitend. Ich taumele glücklich hinaus.

Genauso uneingeschränkt zu empfehlen ist der Film "Auf der anderen Seite". Fatih Akin trifft mich nach "Gegen die Wand" noch tiefer. Noch eindringlicher, noch überwältigender. Und doch macht er neugierig auf das Leben. Man kann unmöglich sofort danach nach Hause gehen.

Eine glücklicher Umstand bringt mich ohne 900 Euro Gebühr auf den Kommunikationskongress. Finanzminister Peer Steinbrück spricht gekonnt, Dr. Ayyub Axel Köhler, Zentralrat der Muslime, kommuniziert den Islam und Studi-VZ-Gründer Ehsan Dariani hat es trotz seiner naiven Art geschafft. Abends die Speakers Night, eine Gala-Veranstaltung mit Arabella Kiesbauer als Moderatorin, Oliver Kalkofe als Unterhalter, der Rias-Big-Band und Leipziger Nachwuchspreisträgern. Der Redner war einfach nur peinlich, hatte sich für 20.000 Euro eingekauft und ließ sich auch durch ein Pfeif-Konzert von 1.500 Journalisten & Co nicht von seiner Schleichwerbung abbringen. Die Kommunikationsprofis organisieren ihr eigenes Event skandalös schlecht. Ein skurriler Abend, ein lecker Buffett und eine schwarze Limousine nach Pankow. Wie dekadent.

Genauso fragwürdig fliege ich für nur einen Tag nach Nürnberg zum Power Network Day. Auf dem Bahnhof treffe ich einen Oschatzer Theaterkollegen, auch mit Trolley ständig zwischen Hamburg und München unterwegs. Wir erinnern uns an lustige Szenen, die mittlerweile auch 10 Jahre her sind. Die Zeit vergeht.

Drei geniale Tage verbringe ich in Würzburg, auf der Mind-Akademie 2007. Das ist ein Wochenende voller Seminare mit 150 mir meist unbekannten Menschen unter 35. Eine wunderbare Atmosphäre, wahnsinnig viel Input. Thema ist dieses Jahr "Kreativität und Innovation". Die Workshops sind sehr gut, ich lerne über vedische Mathematik, künstliche Kreativität, Unterschiede im analytischen, konstruktiven und kreativen Denken und über Kreativität in der Sexualität. Es ist hochspannend, ein reger Austausch zwischen beiden Gehirnhälften. Das Abendprogramm steht den Veranstaltungen in Spaß und Vielfältigkeit in nichts nach. Meine Zimmernachbarin aus Münster ist wie mein Zwilling, wir ähneln uns auffallend im Aussehen, Denken und Umgang mit Männern. Wir machen mit Hilfe von fünf Psychologen und -therapeuten eine Aufstellung der aktuellen Situation mit Hilfe von Schuhen. Ich will auch Psychologie studieren. Ich hole mir Rat zur Londoner Ausbildung als Coach bei einem Brüsseler Persen.

Wieder nach Hause, die letzten Tage in meiner Leipziger Wohnung. Keine Zeit für Melancholie. Packen. Packen. Packen. Wie kann ich nur allein mit meinem Kram 30 riesige Umzugskartons füllen?
Wir mieten per Anzeige einen Transporter. Alles passt rein, alles geht gut. Dank den fleißigen Helfern trotz der Zeit: Sonntag Morgen um neun. Ich verabschiede mich von meinen Freunden, von meiner Wohnung, von 7 Jahren Leipzig. Weinen oder doch schon wieder Verdrängen?
Schon sitzen Johanna und ich im LKW, es gibt keine Gurte, das Fenster ist zugeklebt, der Fahrer spindeldürr, ca. 50 und schnauzbärtig. Die mir seit drei Jahren bekannte Strecke sieht so anders aus. Strahlender Sonnenschein und gelbe Bäume. Es ist Herbst.

Ein Sofa, ein Teppich und ein paar Grünpflanzen, schon ist es wohnlich. Erstes Mittagessen auf dem Sonnenbalkon. Ein Großputz und drei Stunden telefonieren mit der Telekom wegen des DSL-Anschlusses machen es perfekt. Bekomme jetzt jeden Tag ein Essen gekocht und Salat. Es ist ein schönes Gefühl nach der Arbeit innerhalb von einer Stunde zu Hause sein zu können. Die 30 Umzugskartons stehen immernoch voll im dritten Zimmer. Nein, man braucht wirklich nicht so viel.

Zwischendrin kommt eine Mail mit Fotos aus Jakarta. Yuli hat von dem gesammelten Geld von Marions Schule an die Familien im Überschwemmungsgebiet Schulhefte und Malzeug verteilt. Strahlende Gesichter, an die ich mich erinnere, als wäre es gestern.

Die Oschatzer Allgemeine Zeitung kürt mein Foto vom Sonnenaufgang zwischen Vulkanen auf Borobodur zum gelungensten Urlaubsfoto 2007. Eine Flasche Wein im Picknickkorb ist der 1. Preis. Alle OAZ-Leser wissen jetzt wo ich mich rumtreibe, die Klickrate von Oschatzern meines Jahrgangs auf meinem Studi-VZ-Profil erhöht sich.

Höhepunkt der Aufregung sind zwei dienstliche Termine an einem Abend. Der erste mit Herrn Milbradt in Annaberg-Buchholz, der zweite eine Tagung in Erfurt. Ich darf mir einen Mietwagen ausleihen und überlebe eine dreistündige Fahrt bei 0° Celsius im Regen auf 800 m Höhe durch den mitternächtlichen Nebel. Zum Ausgleich gibt es eine Fünf-Sterne-Hotel am wunderschön beleuchteten Dom. Ein Traum von Einrichtung, Essen und Service! "Bitte geben Sie uns die Schlüssel Ihres Wagens, dann bringen wir ihn in die Tiefgarage." Bitte was? Oh ja, natürlich!

Jetzt ist alles vorbei, ich bin wieder zu Hause in Berlin und habe endlich wieder Zeit, mich um die Uni zu kümmern. Und um nachzudenken über die Liebe und das Leben an sich und im Speziellen.