
Hochgelobt und von allen Feuilletons ausnahmslos empfohlen gehe ich in
diesen Film, dessen häufigstes Geräusch das Rauschen des Windes ist. Ein chinesischer Regisseur, eine Schauspielerin aus Peking, eingehüllt in dicke Daunenjacken und Kopftücher, unter denen die Mimik des gegerbten Gesichts die meisten Inhalte vermittelt, und mongolische Darsteller reiten auf Kamelen, holen Kanister voll Wasser von der kilometerweit entfernten Quelle, sprengen Löcher für einen Brunnen, schöpfen Milchtee aus dem Kessel, treiben Schafe aus dem Sandsturm und lassen Gefühle nur erahnen. Doch um genau die geht es in dieser leeren, weiten, mongolischen Einöde. Ich stelle mir vor, wie ich in einer winddichten Jacke und Wanderschuhen durch diese minimalistische Gegend ziehe, ab und zu mal mit dem Gaskocher einen Schluck Wasser heiß mache und getrocknetes Fleisch esse, um meine Gedanken in den Griff zu bekommen. Doch zurück zu Tuya. Sie muss sich von ihrem kranken Mann scheiden lassen, ohne ihn verlassen zu wollen. Einen Neuen soll sie heiraten, der sie, ihre Kinder und ihren Mann versorgen kann. Geradezu sarkastisch werden die Bewerber präsentiert, einer nach dem anderen, wie sie mit ihrer kompletten Familie oder auf dem Motorrad aus der Ferne anreisen. Keiner will sich darauf einlassen, der Kranke wird abgeschoben. Sozialkritik schimmert durch, wenn er im Krankenhaus nach einem Mordversuch nur spärlich behandelt wird. Am Ende verliebt sie sich in den unvernünftigen Nachbarn, der ihrer Sehnsucht nach einem Ausbruch von aller Last und Pflicht zumindest durch seine verrückten Ideen und nachkommt. Reich genug ist er auch - er besitzt einen Heuwagen.
Gewöhnungsbedürftig ist die Musik, der weite Blick der Kamera, die ruhigen Fahrten, die Menschenleere. Und trotzdem ist er spannend und mitreißend. Ein leiser Film, ein guter Film, ein Film, der dennoch so weit weg ist wie die Mongolei. Vielleicht reiten wir ja doch bald durch die Steppe, Marie?
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