25. Juni 2007

Mein letztes Wochenende in Singapur ...

... beginnt - wie sollte es anders sein - mit einem ausgiebigen Shoppingbummel in Vivo City am Freitag Abend und im Plaza Singapura am Sonnabend Vormittag. Die Sonderangebote des Great Singapore Sales muss ich schliesslich noch ausnutzen, bevor mich in Deutschland wieder der Preisschock trifft.
Um der Triebsublimierung nicht nur mit solch niederen Taetigkeiten gerecht zu werden, steht dank und mit Marion am Samstag Nachmittag Theater auf dem Programm. Mabou Mines, eine freie Truppe aus New York, spielen im Rahmen des Singapore Arts Festival "DollHouse" in Anlehnung an Henrik Ibsens "Nora oder Ein Puppenheim". Lee Breuers geniale Inszenierung spielt tatsaechlich in einem Puppenhaus, in das die maennlichen Protagonisten perfekt hineinpassen: Sie sind allesamt kleinwuechsig. Somit scheint es noch absurder, wie sie ihre Frauen von normaler Groesse herumkommandieren. Am Ende wirft Nora symbolisch mit Kleid und Peruecke alle gesellschaftlichen Zwaenge von sich. Nach der dreistuendigen Inszenierung, die keine Minute langatmig ist, erklaert der Regisseur die Inszenierung, die Postmoderne und die Welt, wir lauschen gespannt und vergessen dabei fast die Zeit. Marion ist von einem Freund eines Freundes ihrer Arbeitskollegin zum Barbecue eingeladen, und so stehen wir eine Stunde spaeter in einem grossen Haus am Rand von Singapur, mit dem groessten Fernseher, den ich je in einem Wohnzimmer gesehen habe, und einer Golfbahn im Vorgarten. Der Gastgeber und seine Freunde sind allesamt Chinesen Ende 30. Es gibt Chicken, Beef, Pork und Riesengarnelen direkt vom Grill, dazu Chardonnay. Lecker! Ich unterhalte mich heimlich mit dem Dienstmaedchen, eine 22-jaehrige Indonesierin. Waehrend wir im Garten schlemmen, sitzt sie in der Kueche auf dem Boden und lernt Englisch. Sie ist seit vier Jahren hier und versorgt damit ihre Familie in Solo auf Java. Ihre Augen leuchten, als ich von Borobodur und Prambanan erzaehle. Sie hat Sehnsucht nach Hause. Auf die Frage, ob es sich denn abgesehen vom Heimweh hier aushalten laesst, ob die Familie nett zu ihr sei, schaut sie mich schweigend an und wiegt den Kopf hin und her. (Ueber das Schicksal der Maids hoert man viele Schauergeschichten, auf das Erschlagen des eigenen Dienstmaedchens steht eine geringere Geldstrafe als auf Fahrradfahren im Fussgaengertunnel ...) Bevor ich noch weiter ueber die Ungerechtigkeit nachdenken kann, fahre ich mit dem Taxi ans andere Ende des Landes, 45 Minuten Fahrt fuer 7 Euro. Naechster Termin: Eine Black & White Party mit Mr. Big. (Aufgrund gewisser Gemeinsamkeiten (nein, nicht der Koerperumfang) mit einem Mann aus einer bekannten Serie ueber vier Frauen in New York hat Marie ihm diesen Namen gegeben.) Ich bekomme eine Wassermelone und einen Espresso, um meinen Weinpegel zu senken und schon holt uns der weisse Mercedes ab. Zwei weitere Partygaeste sind schon drin: Elizabeth, Ende 30, blonde lange Haare, ein cremefarbenes Minikleid, lange braune Beine in schwarzen Highheels und Marianne, Anfang 40, dunkle Locken, schwarzer Hosenanzug, auffallend geschminkt. Ich will gar nicht wissen, was sie von Beruf sind. Ich, Anfang 20, kurzer Jungshaarschnitt, mit zerknitterten Leinenhosen, einem 2-Euro-Oberteil aus Bangkok und ausgetretenen Badelatschen (bedingt durch meine Zehe), ueberlege krampfhaft, wie ich mit diesen Frauen Schritt halten soll. Es ist ganz einfach: Ich mache einen Witz ueber Mr. Big, merke mir eine Telefonnumer, weiss ueber den neu eroeffneten buddhistischen Tempel Bescheid und arbeite in der Energiebranche. Das macht Eindruck :-)
Die Party ist eine Eroeffnung einer vierstoeckigen Bar (Restaurant, Tanzflaeche, Chilloutcouch, Dachterasse), in der ich auch mit meiner Kreditkarte kein Getraenk bekommen haette. Es gibt nichts anderes als Champagner, flaschenweise. An den Waenden laufen alte Schwarz-Weiss-Filme. Am Eingang spielt eine Saxophonistin, der oberste Knopf ihrer Bluse schliesst auf Hoehe des Bauchnabels. Die weiblichen Gaeste sind Models in hauchduennen Kleidchen, die Maenner entweder Leonardo di Caprio-Verschnitte aus Skandinavien oder gediegene Bankchefs mit Zigarre. Ich fuehle mich etwas fehl am Platz, doch Mr. Big bringt mich ins Gespraech mit diversen Gaesten. Immer die gleichen Fragen: Was machst du in Singapur, woher kommst du, wie lange bleibst du? Weil uns die aufgeblasenen koreanischen Nachrichtensprecherinnen und australischen Schauspielerinnen langweilen, stellen wir uns als Eisverkaeufer aus Hollywood vor. Sie glauben es auch noch! Ich zeige mich von meiner zurueckhaltenden Seite, beobachte die "Show" der Supertollen und lausche Mr. Bigs hervorragenden Lektionen im Smalltalk und Netzwerken.
Nach einer Stunde verlassen wir die Party in Richtung Riverside Point, wir wollen ins IndoChine. Ein Restaurant, in dem man auf einem Aquarium voller Piranhas tanzen kann. 75$ Eintritt sind es dann aber doch nicht wert, also lieber in die China One Bar. Hier geht es schon "normaler" zu, es gibt richtige Martini-Cocktails und Ehemaenner aus Amsterdam auf Dienstreise. Zu guter Letzt gehen wir dank eines Handschlags mit den Tuerstehern ohne Anstehen ins Attica. Hier habe ich Bekannte, meine Mitbewohner und andere Praktikanten sind auch da. Noch ein bisschen Quatschen und Tanzen in der Menge und schon ist mein letzter Samstag in Singapur vorbei.

Wie es sich fuer einen gemuetlichen Sonntag gehoert, beginnt der Tag nicht vor halb Zwoelf. Den Nachmittag verbringe ich in China Town, die letzten Singapore Dollar ausgeben. Dann einen dicken Burger mit Pommes essen und gemuetlich mit Marion ins Kino. Popcorn und Getraenke sind leider nicht erlaubt, es wuerde die anderen Zuschauer stoeren. Aber der Film "Hula Girls" ist fantastisch. Er erzaehlt eine wahre Geschichte von einem japanischen Dorf in den 60ern, das vom Bergbau lebt. Ein Hawaii-Vergnuegungspark soll dessen Zukunft retten, dafuer lernen die Toechter der Minenarbeiter den Hula-Tanz. Das bringt natuerlich grosse Konflikte und Emotionen auf die Leinwand, ein wunderbarer Film ueber Leidenschaft, Veraenderung und Freundschaft.

1 Comments:

Blogger suja said...

schöner, leicht wertender faktenbericht! ich muss sagen, dass deine schriftstellerischen qualitäten mit der zunahme der blogeinträge deutliche fortschritte verzeichnen, toll! obwohl ich sagen muss, dass ich bei der wahl zwischen "blonde lange Haare, ein cremefarbenes Minikleid, lange braune Beine in schwarzen Highheels" und "kurzer Jungshaarschnitt, mit zerknitterten Leinenhosen, einem 2-Euro-Oberteil aus Bangkok und ausgetretenen Badelatschen" durchaus das cremefarbene Minikleid vorziehen würde. (Das sage ich jetzt aber, während ich Badelatschen trage und eine Short aus Bangkok.) Du wirst sicher sehr traurig sein, dass du nun schon wieder heim musst, ja, ein schweres Los, ein schweres Los...

25. Juni 2007 um 18:06  

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